AfD vereinnahmt „Schwerter zu Pflugscharen“
Erster Jahrestag des Angriffskriegs der Russen gegen die Ukraine in Dresden. Ich schaue mir die Solidaritätskundgebung für die Ukraine vor der Frauenkirche an und gehe aus Neugier auch zur „Friedensdemonstration“ von AfD und Freie Sachsen auf den Theaterplatz. Spürbar der sehr unterschiedliche Blick auf diesen schrecklichen Krieg in Europa, den ich auch in Gesprächen mit Freunden wahrnehme. Für sie sind diese militärisch, tödlichen Auseinandersetzungen kaum aushaltbar, das Leid unerträglich. Deshalb müsse jetzt etwas zur Beendigung des Krieges passieren, Friedensverhandlungen eingeleitet werden. Ähnliche Wünsche hörte ich auch auf der AfD-Kundgebung.
Zum Glück sind wir weit weg von allem Kampfhandlungen. Wir müssen nicht in Ruinen überleben, bangen, vertrieben zu werden, oder unsere Männer und Söhne beweinen. In Deutschland kennen wir seit fast drei Generationen, über 75 Jahre, keinen Krieg. Die Überlebenden des 2. Weltkrieges sterben aus und können uns kaum noch an das schreckliche Leid erinnern. Und die Brutalität des Balkankrieges der 1990er Jahre mit all seinen Folgen für die betroffenen Länder und seine Bürger haben die meisten von uns nicht mitbekommen oder vergessen.
Da ist es nachvollziehbar, dass der Wunsch nach einem Ende des Krieges und einer friedlichen Welt das Denken bestimmt. Nur scheint es mir häufig zu kurz gedacht. Wir sind nicht bereit, uns in die Situation der Betroffenen des Krieges zu versetzen, zu begreifen, was sie jetzt wollen und brauchen. Mir erscheint dieser Wunsch nach sofortigen Friedensverhandlungen egoistisch, nur auf unser Wohlbefinden bedacht, (weil wir nicht fähig sind zu leiden, und es wirtschaftliche Auswirkungen auch für uns haben könnte?)
Bei der AfD-Demonstration sehe ich weiße Friedenstauben auf blauen Herzen (Picasso kann sich nicht wehren), Plakate mit der Aufschrift „Ami go home“ oder „Frieden schaffen ohne Waffen“. Aber am stärksten geärgert haben mich Schilder mit dem Logo der christlichen Friedensdekade in der DDR: „Schwerter zu Pflugscharen“. Leider hatte ich nicht den Mut, die Plakatträger anzusprechen. Was verbindet sie mit diesem für uns wichtigen Symbol? Haben sie in der DDR dies schon benutzt, dafür Kritik und Benachteiligung erfahren? Verstehen sie die christliche Vision? Sind sie sich des historischen Missbrauchs bewusst? Will die AfD sich mit diesem bekannten Symbol als Friedenspartei im Osten etablieren, und Wähler aus christlichem Umfeld gewinnen?
Ich merke, wie in mir die Wut hochsteigt. Leider ist dieses Logo nicht rechtlich geschützt. An so etwas hätten wir in der DDR und danach kaum gedacht. Eigentlich freuten wir uns, dass viele Menschen diese Vision aus dem Alten Testament für sich übernahmen.
Nach 1990 glaubten viele Friedensengagierte, ich zumindest, dass wir endlich in einer Welt ohne Militär angekommen seien, dass wir weder Armee noch NATO brauchten. Es schien kurz so, dass sich die Vision des Schmiedes erfüllen könnte. Aber der Traum war, zumindest für mich, sehr kurz. Als ich 1992 in Kroatien die ersten Schützengräben und Panzersperren sah, später in Serbien Lazarette besuchte und mit verwundeten Soldaten sprach, selbst durch Ruinenviertel ging, und die vielen Todesanzeigen für junge Männer las, zerplatzte mein Traum von einer Welt ohne Militär und Gewalt. Die Realität sieht anders aus. Trotzdem brauchen wir die Vision einer friedlichen Welt und sollten uns dafür einsetzen. Aber wohl kaum dadurch, dass wir vorwiegend von uns selbst aus denken. Missbrauch von historischen Ereignissen, Personen und Symbolen, wie es die AfD versucht, ist für mich eine ideologische Irreführung. Hier sollte man aufmerksam und kritisch sein.
Annemarie Müller, von 1990 bis 2017 Friedensreferentin im ÖIZ