After rain

Das „Wort zum Sonntag“, am 04.02.2022 in der DNN erschienen, von unserer Kollegin Anna Groschwitz

„Übrigens: Wir waren in Dresden. Dort hat es oft geregnet und Rauchen im Haus war verboten.“ Das ist der letzte Satz aus einem Brief und ich denke: „Logo ist Rauchen im Haus verboten – das wär‘ ja sonst noch schöner.“ Aber so logo ist das gar nicht. Der Brief ist nämlich schon über 30 Jahre alt und Ende der 80er hat man noch geschlotet, wo‘s nur ging. Ich muss schmunzeln. Ich mag den Brief und lese ihn noch einmal. Es ist der „Brief an die Kinder“ von der Ökumenischen Versammlung für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. Damals, 1989, als der Brief verfasst wurde, war ich fünf, ein Kind – der Brief ist also für mich. Ein bisschen muss ich schlucken, als ich den Satz lese: „Wir haben nachgedacht und gebetet und wieder nachgedacht, was zu tun ist mit einer Welt, die wir Euch ziemlich kaputt übergeben müssen.“ Ja, denke ich, kaputt, richtig kaputt. Die Gletscher schmelzen, wir schmeißen Essen tonnenweise weg, während Menschen hungern, deren Wälder und Böden wir vorher für unsere Smartphones aufgebuddelt haben, die Insekten sterben und die Wälder, im Pazifik gibt‘s eine Insel so groß wie Mitteleuropa und die ist aus Plastik; so vieles gibt es, über das wir streiten und uns übervorteilen, ausbeuten und einfach wegsehen. Ich frage mich: wenn ihr es nicht geschafft habt, ihr Erwachsenen von damals, was sollen wir denn… – nein, ich denke den Satz nicht zu Ende. Ich habe ja jetzt selbst Kinder, die leben wollen: frei von Ungerechtigkeit, in Verbundenheit, mit allem was lebt – im „Schalom“.

Also will ich versuchen, da zu sein. Ich weiß, dass ich ebenso verstrickt bin in die Ungerechtigkeiten, wie die Erwachsenen damals und dass ich beherzter leben könnte. Und ich weiß ja auch, dass die Kraft da ist: „Gott nicht oben und nicht später, sondern jetzt und hier. Bei uns, in uns“, so hat es die Frau Sölle gesagt. Es kann gelingen. Mit dem Rauchen-nur-draußen, hat es ja auch geklappt.

Also, mein Herz, du warmes, verzag‘ nicht so. Rufe und meine es auch so:

Shalom, Schwester an der Nähmaschine in Bulgarien und Bruder in der Kobaltmine!

Shalom, ihr Gletscher!

Shalom, krumme Gurke und braune Banane!

Shalom, queere Schwester, queerer Bruder!

Shalom, Nachbarin geimpfte und ungeimpfte!

Shalom, Wiedehopf und Kleine Pechlibelle!

Shalom, Kleines Gabelzahnmoos!

Shalom, Familie Mensch – Shalom, Familie Schöpfung!

Und ihr Erwachsenen von damals, Euch auch: Shalom! Und wenn ihr noch lebt: könnt ihr bitte die Erde noch nicht an uns übergeben? Könnt ihr bitte bei und mit uns sein und weiter bauen, an dieser Welt, die gut sein will?

Das wär schön.

„Sunshine after Rain (Nexus 5)“ by Teddy Kwok is licensed under CC BY-NC 2.0. To view a copy of this license, visit https://creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0/?ref=openverse&atype=rich