Natursteine – Wo ist das Problem?

Natursteine für Grabmäler oder zum Pflastern des Kirchhofs oder der Straße kommen zumeist nicht aus dem Steinbruch der Region, sondern werden zum großen Teil aus Indien, China und Vietnam importiert. Denn die Steine aus Asien sind weitaus günstiger als heimische Steine und werden deshalb von Privatpersonen, Kommunen, Kirchgemeinden bevorzugt. Aber zu welchem Preis?

Die Herstellung von Natursteinen in Indien, China und Vietnam ist oft verbunden mit Zwangsarbeit, Schuldknechtschaft, Kinderarbeit. Ohne Schutzausrüstung müssen Kinder Steine schleppen oder Sprengladungen an Granitblöcken befestigen. Sie werden großen gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt. Hinzu kommt die Umweltbelastung und CO2-Emission beim Transport über die Weltmeere.

Man sieht dem Stein selbst nicht an, ob er von Kindern oder mit Zwangsarbeit hergestellt wurde. Gleichzeitig lässt es sich mit christlichen Werten wie Schöpfungsverantwortung und Gerechtigkeit nicht vereinbaren, diese Ausbeutung zu unterstützen. Glücklicherweise gibt es mittlerweile die Möglichkeit, Steine zu kaufen, die durch Zertifikate soziale Mindeststandards garantieren (s. Kasten).

Seit 2017 gilt lt. Friedhofsverordnung in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche (EVLKS): Grabmale und Grabeinfassungen aus Naturstein dürfen in Gemeinschaftsanlagen nur verwendet werden, wenn sie nachweislich ohne schlimmste Formen von Kinderarbeit hergestellt worden sind. Ein Drittel der Bestattungen finden in Gemeinschaftsanlagen statt. Für das Anlegen von Gemeinschaftsanlagen ist der Friedhofsträger, also z.B. die Kirchgemeinde, zuständig. Dort dürfen also nur noch europäische Steine verwendet werden oder Steine, bei denen über ein Siegel/Zertifikat oder eine Eigenerklärungen der Verkäufer versichert wird, dass die Herstellung ohne schlimmste Formen von Kinderarbeit erfolgt.

Außerdem kann der Friedhofsträger in der eigenen Friedhofsordnung festlegen, dass diese Regelung für alle neuen Grabmale und Grabeinfassungen auf dem Friedhof gelten soll. Das betrifft dann alle Nutzer*innen des Friedhofs.

Laut Kirchenverwaltungsrat Holger Enke ist die EVLKS die einzige Landeskirche mit einer solchen Regelung. In anderen Bundesländern gibt es allerdings Regelungen auf kommunaler oder Landesebene, die auch für die kirchlichen Friedhöfe gelten: So dürfen auf Friedhöfen in Nordrhein-Westfalen seit 1. Januar 2020 Grabsteine aus China, Indien, den Philippinen oder Vietnam nur aufgestellt werden, wenn sie über ein gesetzlich vorgeschriebenes Zertifikat (Zertifikate: s. Kasten) verfügen. Das ist eine strengere Regelung als die der Landeskirche. Hier kann der Nachweis über Zertifikate oder Eigenerklärungen erfolgen. Eigenerklärungen sind allerdings problematisch, weil sich nicht nachprüfen lässt, ob sie wahrheitsgemäß sind – oder die Steinmetze dies selbst auch nicht wissen können.

Leider gibt es im Landeskirchenamt keine Daten und Rückmeldungen über die Umsetzung der Friedhofsordnung. Für Gemeinschaftsanlagen werden lt. Holger Enke meist einheimische oder recycelte Steine genutzt. Einige Gemeinden, z.B. Leipzig-Knauthain, haben den Passus in ihre neue Friedhofsordnung übernommen. In Chemnitz und Leipzig gab es vor einigen Jahren Initiativen, das Thema mit Veranstaltungen und Flyern in Zusammenarbeit zwischen Verwaltung, Kirchgemeinden und Steinmetzen intensiver zu bearbeiten. Doch es scheint noch ein längerer Weg zu sein, bis auf evangelischen und katholischen Friedhöfen keine Steine mehr verwendet werden, die auf Kinderarbeit und Ausbeutung beruhen.

Aktiv werden – doch wie?

• Aktive in Kirchenvorständen und Kirchgemeinden sollten sich mit dem Thema auseinander setzen, die bisherige Beschaffung von Steinen für Gemeinschaftsanlagen prüfen und eventuell eine eigene Regelung für alle Grabmale auf ihrem Friedhof beschließen. Lassen Sie die Mitarbeiter*innen der Friedhofsverwaltung nicht allein mit dem Thema. Der Friedhof muss stärker ein Teil der Kirchgemeindearbeit werden.

• Informieren Sie sich über Siegel und treten Sie in Dialog mit den lokalen Steinmetzen. Nutzen Sie Beratungsmöglichkeiten, z.B. im Landeskirchenamt (Holger Enke).

• Kaufen Sie heimische Steine für Grabmäler oder Straßenpflaster und verlangen Sie Siegel bei Steinen aus Asien. 

Wir planen in diesem Jahr eine Informationsveranstaltung zu dem Thema „Faire Grabsteine“. Wer an dem Thema interessiert ist, melde sich unter: gerechtigkeit@infozentrum-dresden.de


Siegel und Zertifikate

Laut der Friedhofsordnung der EVLKS sollen schlimmste Formen von Kinderarbeit (ILO-Konvention 182) ausgeschlossen werden. Das umfasst u.a. alle Formen von Sklaverei und sklaverei-ähnlichen, ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen sowie Arbeit, die durch ihr Wesen oder die Umstände die mentale und physische Gesundheit der Kinder aufs Spiel setzt.
Es gibt derzeit vier Zertifikate, die von der Bundesregierung als glaubwürdig eingestuft sind und Mindestanforderungen bei der Sozialverträglichkeit erfüllen. Sie garantieren nicht nur ein Verbot schlimmster Formen von Kinderarbeit, sondern auch Arbeiter*innenrechte wie Vereinigungsfreiheit.
Details zu den Siegeln finden Sie auf der Seite https://www.siegelklarheit.de/vergleichen/naturstein/.

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